Kochen mit Köpfchen
Märchenhaftes Essen
Ein verzauberter Apfel, sprechende Brote und ein Haus aus Lebkuchen: Essen spielt in Märchen eine tragende Rolle. Gerade zur Weihnachtszeit haben erzählte Geschichten wieder Hochsaison. Sie bringen uns zur Ruhe, lassen uns ankommen, erinnern uns an die eigene Kindheit und machen Appetit auf mehr. Tischlein, deck dich!
Weihnachtszeit ist immer auch Märchenzeit. Ganz einfach, weil Märchen entschleunigen. Nicht nur den, der sie erzählt bekommt, sondern auch den Erzähler selbst. Märchen sind Balsam für die Seele, sie helfen uns, dem Alltag, der gerade in der stillsten Zeit des Jahres oftmals allzu hektisch werden möchte, zu entfliehen. Und sie erlauben uns zu träumen. Vom Schlaraffenland, dem Lebkuchenhaus der Hexe in Hänsel und Gretel oder von den lieblich duftenden Broten in Frau Holle. Märchen wirken nicht nur positiv auf unser seelisches Gleichgewicht, sie machen oft auch ordentlich Appetit. Märchen und Essen sind ein erprobtes Gespann, das gut zusammen geht.
Essen ist anziehend
Wenn in der Adventszeit der Duft frischgebackener Kekse durchs Haus zieht, läuft uns schon das Wasser im Mund zusammen und ehe wir es uns versehen, stehen wir in der Küche und kosten eines der noch warmen Plätzchen. Essen ist Lockmittel und eine köstliche Versuchung. Das weiß eben auch die Hexe in Hänsel und Gretel. Die Geschwister, die hungrig im finsteren Wald umherirren, tun sich am Lebkuchenhaus der Hexe gütlich. „Knusper, knusper, knäuschen, wer knabbert an meinem Häuschen“, fragt die listige Hexe. Und schwups, schon sind die beiden Kinder gefangen.
Das Märchen geht – wie alle – natürlich gut aus. Doch das Essen ist und bleibt in vielen Geschichten einfach anziehend. So auch bei Schneewittchen, die nicht widerstehen kann und in den wunderschönen roten, leider vergifteten, Apfel der bösen Stiefmutter beißt. Oder Goldlöckchen, das vom süßen Brei ins Haus der drei Bären gelockt wird. Genuss und die Freude an gutem Essen sind einfach zutiefst menschlich.
Tischlein, deck dich!
Der duftende Apfelstrudel, ein einfacher Teller mit Pommes frites oder ein Toast mit Ketchup und Mayonnaise. Haben wir den Geschmack der Kindheit auf der Zunge, fühlen wir uns sofort wohl und getröstet. Essen ist nicht nur Sattmacher, essen befriedigt auch Emotionen. Essen ist allerdings auch lebensnotwendig. So wie im Märchen Der süße Brei, in dem ein armes Mädchen und seine Mutter dank eines irdenen Töpfchens, das mit der Zauberformel “Töpfchen koch!” immer, wenn der Hunger da ist, süßen Hirsebrei kocht.
Oder der verzauberte Tisch des Schreinerlehrlings in Tischlein, deck dich, der sich bei eben diesen Worten unter der Last der herrlichsten Speisen beugt. Ein herrlich komponiertes Gericht kann auch selbst eine Geschichte erzählen. Von der Herkunft der Zutaten, von der Geschichte und Kultur eines Landes oder von der Kreativität seines Koches. Im Märchen treffen die Protagonisten oft auf sprechendes Essen.
So geht es dem braven Mädchen in Frau Holle, die an einem Ofen mit Brot vorbeikommt, das ihr zuruft: „Ach bitte, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich! Ich bin schon längst fertig gebacken.“ Was das fleißige Mädchen auch gerne macht. Als sie zu einem Apfelbaum kommt, ruft er ihr zu: „Ach bitte, schüttel mich, schüttel mich! Meine Äpfel sind alle miteinander reif.“ Und auch dort greift das beherzte Fräulein zu. Der Lohn für ihren Fleiß: Mehr Gold, als sie in einem Leben ausgeben kann.
Liebe geht durch den Magen
Der Glaube an sich selbst, die Gewissheit, alles schaffen zu können, eine erfüllte Liebe, wahre Freundschaft oder grenzenloser Mut: Märchen behandeln beliebte Themen. Und: Sehr oft ist Essen der Schlüssel zum ersehnten Erfolg. Denken wir nur einmal an das Märchen vom Gestiefelten Kater. Für all jene, die sich an die Geschichten ihrer Kindheit nicht mehr so gut erinnern können, eine kleine Auffrischung: Ein Müller hatte drei Söhne. Als er starb, hinterließ er dem ersten die Mühle, dem zweiten den Esel und für den dritten blieb nur mehr der Kater übrig. Da war der jüngste Sohn sehr traurig.
So beginnt eines der beliebtesten Hausmärchen der Gebrüder Grimm. Doch halt! Der vermeintlich nutzlose Kater ist nämlich ein Segen für den armen Müllerssohn. Warum? Weil er die feinen Rebhühner fangen kann, die der König so sehr liebt. Das Geschick des Katers bringt dem Müllerssohn schlussendlich die Königstochter und das halbe Königreich ein. Nicht schlecht oder? Liebe geht eben durch den Magen. Nicht nur in Erzählungen. Wie viele Heiratsanträge sind wohl schon bei einem romantischem Candle-Light-Dinner gemacht und mit „Ja“ beantwortet worden? Die schönsten Märchen schreibt eben immer noch das Leben selbst.
(18.12.2017)
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