Kochen mit Köpfchen
Foodpairing – Formel für guten Geschmack
Aromatische Traumpaare in aller Munde: Ein paar findige Wissenschaftler haben Erdbeere, Blauschimmelkäse und Co. mit Algorithmen hinterlegt, um die Kompatibilität untereinander zu analysieren und Geschmacksexplosionen herbei zu führen – Wissenschaftlich fundiert und praktisch erprobt.
Vom Wein ist man es ja gewohnt, dass er zu etwas passen möchte, beziehungsweise soll. Sauvignon Blanc zu Meeresfrüchten und Cabernet Sauvignon zu Schokolade – mal ganz wild über den Kamm geschert. Aber warum diesen Denkansatz nicht auch in die Küche verlegen? Was harmoniert womit? – und zwar wissenschaftlich fundiert. Die Idee hinter Foodpairing ist neue Kombinationen zu erforschen, auf die man ansonsten aus dem Bauch heraus vielleicht nicht gekommen wäre.
So harmonieren beispielsweise gepuffte Hühnerhaut und Mousse au Chocolat oder Erdbeeren mit Lammfleisch wissenschaftlich gesehen wunderbar miteinander. Und noch besser: die Praxis gibt der Wissenschaft recht.
Der Trick 17 des Foodpairings
Die Grundlogik, die diesen Food-Kombinationen zugrunde liegt ist im Prinzip simpel: Verfügen zwei Produkte über dieselben Aromen, so harmonieren sie miteinander. Umso mehr Aromenkomponenten sie miteinander teilen, umso kompatibler sind sie. Logisch. Die Crux an der Sache – Natürlich muss man diese Aromen aus Erdbeere, Hummer und Co. erst herausarbeiten. Und damit eine Datenbank füttern, die Aromenpaare abfragt und identifiziert.
Zum Glück hat sich Agraringenieur Bernard Lahousse vor einigen Jahren gemeinsam mit seinen Kollegen Johan Langenbick und Küchenchef Peter Coucquyt genau dieser Arbeit gewidmet. Lahousse: „Wir glauben, dass neue Aromenkombinationen zu entdecken und auszuprobieren nicht nur den Genuss erhöht sondern auch den Alltag bereichert.“
Denn von sich aus würde wohl kaum jemand Blauschimmelkäse mit Schokomuffin kombinieren – wobei einem da ganz schön etwas entgeht, wie Kostprobe und Computer zeigen. Dabei konzentrieren sich Lahousse und seine Kollegen bei der Analyse vor allem auf Aromen. Also auf die Komponenten, die man mit der Nase wahrnimmt. – Ganz wie beim Wein, in dem man ebenso versucht Marille, Pfirsich, nassen Stein und röstige Kaffeebohnen auszumachen. Nur dass das bei Foodpairing Gas-Chromatograph oder Massenspektroskopie übernehmen. Im nächsten Schritt sucht man in anderen Produkten dieselben, oder ähnliche Merkmale.
Wie wichtig der Geruch und damit die Aromen in unserer Wahrnehmung von Essen sind, erklärt Lahousse mit einem einfachen Beispiel: „Der Geruch von Kaffee enthält mehr als 1000 Aromen, intensiv und röstig. Nimmt man einen Schluck mit zugehaltener Nase, wird der Kaffee schnell zum bitteren Drink ohne die geliebten Röstaromen.“ Schließlich so Lahousse und Co. seien bis zu 80 Prozent von dem was wir Geschmack nennen, eigentlich Aromen. Also Komponenten, die wir über die Nase wahrnehmen.
Von der Spitzengastronomie hinter heimische Herde
Wobei die Idee zu diesem wissenschaftlichen Hinterfragen, im Ansatz der Spitzengastronomie entstammt. Denn hier ist man von Haus aus kontinuierlich auf der Suche nach neuen Kombinationen und Techniken um seine Gäste zu inspirieren und zu überraschen. So fand der englische 3-Sterne-Koch von sich aus schon vor einem Jahrzehnt heraus, dass Kaviar und weiße Schokolade wunderbar miteinander harmonieren – durch monatelanges experimentieren. Als er schließlich am Ziel angelangt war, stellte sich immer noch die Frage: Warum eigentlich? Eine Frage, die über den Aromaexperten François Benzi – der damals bei einer durch eine Eingebung entstandenen Kombination von Jasminblüte mit Leber vor demselben Rätsel stand – bis zum Belgier Lahousse und seinen Kollegen gelangte.
Diese stellen diese Technik heute Profis und leidenschaftlichen Hobbyköchen unter foodpairing.com zur Verfügung. Jedes Produkt erhält einen „Pairing Tree“ – je kürzer die Linie zwischen den Produkten, umso besser harmonieren sie.
Chef Coucquyt erprobt diese Ergebnisse der Wissenschaft in Rezepten und andere Spitzenköche greifen gerne darauf zurück. Auch wenn sich beispielsweise der belgische 3-Sternekoch Gert de Mangeleer, wie Heston Blumenthal in seinem Restaurant The Fat Duck seinerzeit, in seinen Kombinationen von Soufflé aus Gänseleber, Lakritze und Coca-Cola mit einem Hauch Kümmel oder mit in Tomatenpulver gewälzten Avocadoschnitzel mit Olivenöl auch zum Teil im Nachhinein bestätigt sieht.
Ebenso wie Chocolatier Dominique Persoone, der die Arbeit seiner belgischen Freunde mit Pralinen aus Schokolade mit Sojasauce, Sesam und Sancho-Pfeffer oder auch mit süßen Kombinationen aus gebratenem Frühstücksspeck, Coca-Cola, schwarzen Oliven, Hanf, Tabak und Cabernet Sauvignon unter Beweis stellt.
Manchmal entscheidet der Bauch und dann wieder der Foodpairing-Baum. Eine wunderbare Sache, die die Küche mit einem simplen aber doch maßgeblichen Ideenansatz bereichert. Ganz nach dem Motto: Gleich und gleich gesellt sich gerne. Auch wenn man die Ähnlichkeit auf den ersten Blick nicht vermuten würde.
Nina für Tante Fanny (18.07.2016)