Kochen mit Köpfchen
Die etwas andere Weinregion
Die Welt rückt zusammen, die des Weins wird immer weiter, komplexer, facettenreicher: Ein Tauchgang zu Weinregionen, die für Weinliebhaber neben den altbekannten wie Champagne, Burgund und Bordeaux ebenso lieber rote und weiße Flecken auf der Wein- als auf der Landkarte ergeben sollten.
Wein ist Geschichte, Kultur, Natur, Geselligkeit, Genuss und Ausdruck der Region, in der er wächst. Das alles in einem Glas oder in einer Flasche vereint. Ein Schluck verrät uns etwas über die Menschen, die Kulinarik, das Klima und die Lagen der Weinberge. Damit ist nicht gemeint, dass man das aus den feinen Tropfen ohne Kommentar herausschmecken muss. Auch wenn das manch geschulter Gaumen tatsächlich fertig bringt.
Vielmehr ist Wein, ein Austausch unter Menschen, die das Leben und den Genuss lieben, und darauf gerne mit einem guten Gläschen anstoßen. Und dann darüber reden. Denn Wein ist auch Kommunikation. Und vielleicht greift der eine oder andere ja sogar nach diesem Artikel einmal zu einem Tropfen, den er bis dato noch nicht am Schirm hatte. Denn eines ist sicher: Der Versuch macht sich jedenfalls bezahlt. Und ist vielleicht sogar der Beginn einer Vorliebe für eine neue Art an Weinen und Herkunft.
Rioja: Ein Klassiker, den keiner kennt
Den Anfang macht eine Weinregion, im Norden Spaniens, die eigentlich jeder kennt. Aber selten als Qualitätshersteller. Zumindest in unseren Breitengraden. Rioja. Das liegt daran, dass in einer großen Weinregion nun einmal auch große Mengen produziert werden. Und somit auch die minderen Qualitäten, bis nach Österreich & Deutschland schwappen.
So ergeht es den feingliedrigen Tropfen aus Rioja, mit ihrem falschen Image. Denn in ihrer feinsten Ausführung punkten diese Weine, meist aus der hier heimischen roten Tempranillo-Traube gekeltert mit subtiler Eleganz. Ein Reigen an erdigen Tönen in Kombination mit reifer Erdbeerfrucht und das ganze relativ niedrig im Alkohol. In der traditionellen Herstellung. Keine Schokobomben, oder Weine von denen man nach ein paar Schluck genug hat. Das Gegenteil ist der Fall. Hat man einmal den Korken von einem der Qualitätsproduzenten von La Rioja Alta, López der Heredia oder Artadí gezogen, ist es schwer besagten Stoppel wieder in den Flaschenhals zu versenken, bevor die Flasche leer ist. Eleganz, Leichtlebigkeit, Ausdruck und Komplexität in einem: Das sind die Top-Weine aus Rioja, die in der Weinwelt nicht umsonst seit Jahrhunderten für Furore sorgen. Man muss nur wissen, wo man zu welchem Rioja greift. Sie werden sehen oder besser, schmecken …
Friaul: Nicht Rot, nicht Weiß: Orange
Die nächste Weinregion geht mit ihren Weinen direkt in Medias Res. Kein leichter Übergang von der fruchtig-frischen Variante, zu einer anderen Art an Weinen. Diese Tropfen kommen direkt zum Punkt. Der orange ist. Denn das italienische Friaul ebenso wie der angrenzende Collio in Slowenien gelten als die Wiege der Orange Weine. Ein Hype der weltweit die Runde macht. Zu Recht. Weil großartig! Vorausgesetzt man setzt auf die richtigen Weine, die hergestellt werden wie Rotwein. Denn das ist vereinfacht ausgedrückt der ganze Clou hinter Orange Wines und der dadurch entstehenden intensiveren Farbe: Die Trauben werden maischevergoren. Heißt: Sie lagern ebenso wie der Rotwein einige Tage auf den Traubenschalen. Um Aromastoffe und Tannine, also Gerbstoffe auszulaugen. Ergo hat auch so ein Orange Wine Tannine. Auch wenn er weiß ist, was er ja nicht ganz ist.
Jedenfalls war man im Friaul mit Josko Gravner oder auch am Weingut Radikon, mit bei den Ersten die diese Art der Weinherstellung auf den Plan brachten. Sie produzieren Weine, die mit komplett anderen Aromen punkten. Leuten, die schon alles kennen eine ganz neue Facette der Weinwelt aufgetan haben. Fermentation in Reinform. Noten von Tee, Umami und reifer Frucht machen sich oft im Wein bemerkbar. Begleitet von Struktur und Körper, die der Tropfen aus seiner Ruhezeit auf Traubenschalen und –kernen gewonnen hat. Ein Erlebnis in Nase und am Gaumen, der garantiert für Gesprächsstoff sorgt.
Tokaj: König der Weine, Wein der Könige
Schwenkt man das Weinglas weiter nach Nordosten landet man im Westen Ungarns, in Tokaj: Herkunft von Süßweinen, um die zu Kaiserszeiten der Adel weltweit buhlte. Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Schließlich überzeugen die natursüßen Weine aus getrockneten Trauben mit einer feinen Klinge, die ihnen den Titel „König der Weine“ zu Recht eingebracht hat. Getrocknete und dann erst ausgepresste Trauben (Aszú) zeigen im Wein Aromen von getrockneten Früchten, bis hin zu Toffee und Kaffee. Letztere betören bei gereifteren Exemplaren. Wobei reifen hier im Tokaj lange andauern kann. Denn die süßen Weine, meistens aus der heimischen weißen Rebsorte Furmint gewonnen, werden ohne weiteres mehrere hundert Jahre alt.
Der natürliche hohe Zuckergehalt, sowie die feingliedrige, lebendige Säure konservieren. Auch beziehungsweise insbesondere nach Jahrzehnten ist Tokaj ein Schatz der Weinwelt, den es zu bergen gilt. Während man also darauf wartet, dass die süßen Tokajs im Keller zu hochkomplexen Aromenfeuerwerken heranreifen, könnte man zum Beispiel auch ein paar trockene Flaschen weißen Furmints öffnen. Denn kaum eine andere Rebsorte zeichnet im Geschmack ein derart exaktes Abbild der Region, in der er wächst.
Jura: Gelber Wein und ein Hektar für jede Kuh
Ebenso ein Produkt, wie es nicht typischer für seine Herkunft sein könnte, ist der Vin Jaune aus dem französischen Jura. In der kleinen Weinregion zwischen dem Burgund und der Schweiz gelegen, stößt man auf etwa 2000 Hektar Rebfläche, deren Erzeugnisse seit einigen Monaten Weinfreaks weltweit auf den Plan rufen. Warum: Weil der Wein einzigartig ist. Der kalkreiche Boden, trägt das seinige dazu bei. Die lokale Rebsorte Savagnin sowie die klimatische Besonderheit, die auf der Oberfläche der Weine dazu führt, dass sich ein Hefefilm bildet, bringen den Wein zur Vollendung.
Drei Jahre und sechs Monate reift der Vin Jaune unter dieser Hefeschicht. Ähnlich wie im südspanischen Jerez, in der der Fino ebenso durch eine weiße Hefeschicht zu seinen charakteristischen feinen Aromen kommt. Die Reifezeit ist gesetzlich geregelt. Ebenso wie, dass jeder Kuh in der Region zumindest ein Hektar Weideland zusteht. Damit der bekannteste Export der Region, der Comté-Käse auch garantiert gut wird. Dass dieser Käse zum gelben Wein oder umgekehrt ein regelrechtes Foodpairing-Traumpaar ergibt, liegt nahe und möchte ausprobiert werden.
Mallorca: Insel des fröhlichen Pinot Noirs
Dass es sich auf der Baleareninsel südlich von Barcelona nicht nur perfekt urlaubt, sondern auch Wein keltert, wissen wenige. Dabei wächst insbesondere im Süden der Insel eine Traube, die die mediterrane Seele widerspiegelt, so dass es eine Freude ist. Callet heißt die rote, autochthone Rebsorte: Hell in der Farbe und subtil in den Aromen. Rotfruchtig, blättrig und würzig. Fast wie Pinot Noir, für alle, die diese feine Klinge lieben. Nur auf Mallorca ist es nicht neblig wie im Burgund. Es regnet nicht so viel. Das Wetter ist fröhlicher, unbeschwerter, sonniger. Und damit auch der Wein. Wie die Menschen der Insel selbst. Bei aller Professionalität stets zum Scherzen und Lachen aufgelegt.
Nicht anders ist schließlich auch der Titel des Weins „Gallinas y focas“, übersetzt „Hühner und Seehunde“ der sozialen Initiative Amadip Esment und des Weinguts 4Kilos entstanden. Bei einem kleinen Brainstorming stellte man nämlich ganz schnell fest: „Die Hühner sind lustig und die Seehunde applaudieren“. Und deshalb heißt der Wein jetzt so. Und schmeckt auch so.
Aber glauben Sie kein Wort von dem was hier steht – sondern überprüfen Sie diese Zeilen besser alsbald in der Praxis auf ihren Wahrheitsgehalt. Denn das lernt man schon zu Beginn einer jeden Weinausbildung: Wein im Glas war Wein auf Papier immer schon überlegen.
Nina für Tante Fanny (07.09.2016)